Eurovision Song Contest 2008: Ein Kommentar

Veröffentlicht auf von Paramantus

Moderator Thomas Hermanns nannte es nach der Show "die Beleidigung von Belgrad". Der deutsche Beitrag wurde letzter; punktgleich mit dem polnischen und dem englischen. Also dann immerhin der 23. und nicht der 25. Platz. Aber "Beleidigung"? Das impliziert ja im Grunde die Unterstellung, dass man Deutschland aus purer Bosheit keine Punkte gab... Schlimm. Furchtbar. Ein Skandal.

 

Ein Skandal, in der Tat, jedoch in dem Sinne, dass niemand den Mut hatte die Wahrheit zu sagen: Die so im Vorfeld hochgelobten No Angels haben einen, gelinde gesagt, absolut bekackten Auftritt hingelegt: Ein langweiliges Lied, schlecht und teilweise schief gesungen, gepaart mit einer dümmlichen, ausstrahlungsfreien Choreographie. Einfach nur peinlich. Ein Desaster, das sich jedoch bereits beim Vorentscheid abgezeichnet hatte (Ich berichtete).

Die Wahrheit zu leugnen war allerdings nicht genug, verdrehen musste man sie auch noch: Die No Angels waren gut, ich kann das nicht nachvollziehen. Ein guter Auftritt, ich verstehe das Ergebnis einfach nicht. Es war wohl einfach das falsche Lied am heutigen Abend. Wir sind geschockt, weil die Performance einfach gut war.

Beleidigung von Belgrad? Geht's noch? Nein, es war die Blamage von Belgrad, wenn man schon mit Alliterationen um sich werfen möchte.

 

No Angels? No Talent. No Points.

 

Es war dieses Jahr das einzige mal, dass ich mir regelrecht gewünscht habe, Deutschland solle den letzten Platz belegen. Nicht nur, weil der Auftritt so grässlich war, sondern vielmehr, weil mir die unverschämte Arroganz dieser untalentierten Gruppe auf die Nerven ging: Siegessicher zählte man in Interviews und Stellungnahmen die vielen Länder auf, in denen man schon so oft auf Platz 1 der Charts stand, schwärmte von den unzähligen Fans in ganz Europa und verließ sich somit allein auf den Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad. Über den mittelmäßigen Teilnahmesong wurde jedoch kaum ein Wort gesprochen...

Ja, ich habe mir gewünscht, dass Deutschland aus dem schlechten Endergebnis vielleicht endlich eine Lehre zieht und das ganze Konzept des Vorentscheids überdenkt. Ich finde es sollten grundsätzlich eher unbekanntere Künstler antreten, damit der Grad der Beliebtheit keine Rolle spielt. Es ist doch schließlich absurd zu glauben, dass jemand wie Tommy Reeves eine Chance gegen die No Angels haben könnte, um mal den letzten deutschen Vorentscheid als Beispiel zu nehmen.

Natürlich geht es auch bei dem Vorentscheid um Einschaltquoten und so sind selbstverständlich Künstler am Start, die eine große Fanschar aufweisen können. Kann man das nicht, zieht man automatisch den kürzeren, obwohl man u.U. das bessere Lied hat. Und das rächt sich dann beim großen Wettbewerb, weil die deutschen Zuschauer ihren Teilnehmer nicht nach Talent sondern nach Beliebtheit ausgewählt haben.

 

Wie wäre es z.B. mal mit einer Band wie Masterplan? Oder The Shanes? Stimmungsvolle alternative Musik, mit der man in Europa bestimmt die einen oder anderen Punkte sammeln kann. Und darum geht's doch. Man darf nicht vergessen, dass der Song, den man beim Vorentscheid als Vertreter für sein Land auswählt, nicht einem selbst, sondern in erster Linie allen anderen gefallen muss. Man kann beim ESC immerhin nicht für sich selbst abstimmen...

Es muss sich auf jeden Fall was tun, sonst spricht man 2009, nach der Blamage von Belgrad in diesem Jahr, vom Massaker von Moskau, wenn wer auch immer einen weiteren letzten Platz für Deutschland holt.

 

Wie dem auch sei, Sieger wurde Dima Bilan, der Teilnehmer aus Russland, mit "Believe". Ein netter Song, den ich persönlich zwar ganz oben, aber nicht an erster Stelle gesehen habe. Wobei ich auch sagen muss, dass ich von der Performance leicht abgelenkt war: Ich habe mich an gewissen Stellen immer gefragt, ob der Schlittschuhläufer dem barfüßigen Sänger jeden Moment mit den Kufen die Zehen abschneiden wird (Die Idee mit der kleinen Eisbühne hatte schon irgendwie was).

Mein Favorit für den Sieg stand schon vor langer Zeit fest: Ich hatte prophezeit, dass wir Ani Lorak, die ukrainische Teilnehmerin, als Siegerin feiern werden, allerdings wurde diese "nur" zweite. Nichtsdestotrotz war ich nah dran. Richtig daneben lag ich stattdessen bei den No Angels. Da sagte ich, dass sie wohl irgendwo im Mittelfeld landen werden. Nun ja, direkt nach ihrem Auftritt beim ESC revidierte ich meine Meinung und behauptete, dass sie mit etwas Glück nicht den letzten Platz belegen werden. Tja...

 

Sehr enttäuscht war ich über die Platzierung Kroatiens, dessen Teilnehmer mit einem Tango-Song unheimlich viel Charme versprüht haben und verglichen mit den restlichen Künstlern einen eleganten Stil hatten.

Skurril fand ich dagegen die Franzosen und die Spanier. Der französische Beitrag hatte was von einer Horde Kifferbrüder, die dem Dude (The Big Lebowski) ein ganz besonderes Denkmal setzen wollten, während die Spanier eine unbeschreibliche Mischung aus rappenden Clowns und in den 80ern hängengebliebene Freaks auf einem LSD-Trip ins Rennen schickten. Trotz allem - oder gerade deswegen - waren mir diese Teilnehmer äußerst sympathisch.

 

Positiv hervorzuheben wären von meiner Seite aus auch noch die Beiträge aus Finnland, Serbien und Armenien, auch wenn durchaus fast alle zumindest eine Erwähnung verdient hätten. Allein die Pirates Of The Sea (mit "Wolves Of The Sea") aus Lettland, die mit ihren glitzernden Faschingskostümen den Wettbewerb für ein paar Minuten in eine Après-Ski-Party verwandelt haben, oder die Schwedin Charlotte Perelli, die mich irgendwie stark an ein Alien erinnerte...

 

So oder so, die Show war ziemlich unterhaltsam. Und das hatte nicht unbedingt etwas mit der Tatsache zu tun, dass sich die Merhrzahl der Sängerinnen scheinbar darum gestritten haben wer den kürzesten Rock tragen würde. Wenigstens dabei konnten die No Angels mithalten.

Veröffentlicht in Kino & TV

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T
Schön geschriebener Kommenentar! Dein Blog gefällt mir! Übrigens danke für die Verlinkung! Werde dich gleich auch mal zu meinen Favoriten dazufügen. Gruß, Travis
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