Cloverfield (Sodom und Gomorrha mitten in New York)
"Blair Witch Project" meets "Godzilla
So könnte man diesen Film eigentlich am besten zusammenfassen. Aber alles der Reihe nach.
(Ein Blick auf den Trailer? *klick mich*)
Gleich zu Anfang wird dem Zuschauer per Schriftzug mitgeteilt, dass gleich das Band einer Privatkamera abgespielt wird, die am ehemals als Central Park gekannten Ort gefunden wurde. Allein dieser Hinweis deutet bereits auf die Ausmaße hin...
Doch was sehen wir? Mit einer kleinen Kamera bewaffnet, geht ein junger Mann namens Hudson durch die Gäste einer Abschiedsparty seines besten freundes Rob, um Grüße und Eindrücke zu filmen. Diese als Einführung der Hauptcharaktere gedachte Sequenz, die ungefähr eine Viertel Stunde dauert, ist für den späteren Verlauf der Story relativ unwichtig, doch gibt sie dem Film eine gewisse Tiefe und den Zuschauern gleichzeitig verschiedene Identifikationsfiguren.
Im weiteren Verlauf sehen wir ausschließlich die Bilder, die mit besagter Kamera gefilmt wurden. Es sind also Amateuraufnahmen einer kleinen Menschengruppe, die durch das Chaos von Manhattan irrt. Und dieses (perfekt dargestelltes) Chaos lässt nicht lange auf sich warten:
Plötzlich gibt es ein starkes Beben, das Licht geht aus. In aufgebrachter Neugier gehen die Partygäste aufs Hausdach und werden aus der Ferne Zeuge einer riesigen Explosion mitten in der Stadt. Die erste Schlussfolgerung: Erneuter terroristischer Angriff. Panik bricht aus, alle rennen die Treppen runter, während noch weitere Explosionen und Erschütterungen zu hören bzw. zu spüren sind.
Auf der Straße angekommen geht es genauso chaotisch weiter: Viele Menschen fliehen durch die Straßen, Staub liegt schwer in der Luft und erschwert das Atmen, in der Ferne sind schemenhaft große Feuer zu erkennen. Die Kamera filmt nervös in alle Richtungen, als plötzlich etwas vom Himmel fällt: Es ist der Kopf der Freiheitsstatue, der Hausfassaden und Autos zerstörend auf die Straße kracht. Panisch wird von der Kamera ein einstürzendes Gebäude gefilmt, während im Hintergrund Schreie und ungläubige Rufe zu hören sind.
In dieser Situation wird ein grausiger Moment eingefangen, der eindeutige Parallelen zu einigen Amateuraufnahmen vom Einsturz des World-Trade-Centers zieht: Ganz vom Staub bedeckte Menschen, die schockiert und wie geistesabwesend durch die Gegend irren, auf der anderen Seite ängstliche, aufgelöste, schreiende Menschen, die panisch herumrennen. Nicht nur für jeden Amerikaner stellt diese Szene wohl ein markerschütterndes Deja-Vu dar.
Weder die Zuschauer noch die Hauptcharaktere des Films wissen bis dahin was genau die Ursache für diese Zerstörung ist. Tatsächlich ein Terroranschlag? Oder vielleicht sogar ein richtiger Krieg?
Hudson filmt aufgeregt weiter und für einen kurzen Augenblick ist hinter einem Hochhaus ein ebenso großer Teil einer furchterregenden Kreatur zu sehen. Spätestens jetzt weiß der Zuschauer Bescheid, die Charaktere im Film verständlicherweise noch nicht ganz - es ist eben einfach alles so surreal. Zudem ist die chaotische Atmosphäre so gut in Szene gesetzt, dass die Charaktere erstmal gar keine Zeit zum Nachdenken und Verarbeiten haben. Sie müssen sich in Sicherheit bringen, raus aus Manhattan.
Und jetzt geht der Horror erst richtig los. Die kleine Gruppe erkennt, dass die ganze Stadt ein Trümmerhaufen und das Militär, worauf sie öfters trifft, anscheinend machtlos ist.
Eine sehr schöne Szene bringt es gut auf den Punkt:
Jemand aus der Gruppe der Filmenden fragt in einer Schlüsselsituation einen Soldaten was denn das für eine Kreatur sei und die Antwort lautet knapp "Ich weiß es nicht, doch was es auch ist, es gewinnt"
Sodom und Gomorrha anno 2008.
Viel mehr möchte ich von der Story nicht verraten, auch wenn es nicht allzu schlimm wäre, da dieser Film nicht von seiner Geschichte sondern von den amateurhaften Kamerabildern lebt, die fantastisch das absolute Chaos in einer von Zerstörung heimgesuichten Stadt einfangen.
Und hiermit wären wir beim wichtigsten Aspekt: Die Kameraführung. Angeblich soll schon manchen Zuschauern schlecht geworden sein, Kopfschmerzen hätten viele bekommen und nicht wenige wären entnervt aus dem Kinosaal gestürmt. Ich gebe zu, ich kann das nachvollziehen. Man braucht starke Nerven um mit der amateurhaften, sehr wackeligen Kameraführung fertig zu werden. Doch anders wäre der Film nur halb so interessant geworden. Durch diese "Mittendrin-Statt-Nur-Dabei"-Atmosphäre verursacht "Cloverfield" nämlich ein äußerst beklemmendes Gefühl, was bei einem Film dieses Genres selten der Fall ist.
Der Schluss mag den einen oder anderen etwas unbefriedigt zurücklassen. Irgendwann ist nämlich das Band der Kamera aus und man weiß nicht wie es weitergeht. Man erfährt demzufolge auch nichts mehr über die Hintergünde oder über die Ausmaße der Katastrophe.
Mich persönlich hat das zwar anfangs ein wenig enttäuscht, aber genauer darüber nachgedacht ist ein solcher Schluss in Anbetracht des Gesamtaufbaus lediglich konsequent.